Nachdem ich gestern über Teezeremonie und die jap. Möchtgern-Mentalität bzw. das Möchtegern-sein von einigen von uns (vllt. nur subjektive Einbildung meinerseits)gelästert habe, hat Jemand sich nicht nur den "Läster-Roman" angetan und den sogar noch kommentiert, sondern auch seinerseits über das Thema einen Eintrag geschrieben. Für die, die es interessiert:bitte hier
Um das Thema wieder aufzugreifen, worüber ich mir gestern Gedanken gemacht habe, möchte ich zunächst meinen Lieblingsabschnitt aus Leas Eintrag zitieren:
Kürzlich hab ich mich über die ganzen Leute ausgelassen, die sich im Moment die Teezeremonie um die Ohren dreschen und glauben, es gäb im Leben nix schöneres (und sich vielleicht fühlen wollen wie ein Japaner – was völlig unmöglich ist). Simon meinte dazu: „Ich hoffe, am Ende des Semesters alle Schritte in der richtigen Reihenfolge behalten zu können. Das würde mir schon reichen.“
Lea hat genau das auf den Punkt gebracht, was ich mit meinem letzten Eintrag bewusst oder vielleicht eher unbewusst ausdrücken wollte. Diese Art von Begeisterung für die Teezeremonie oder andere japanische Traditionen ist doch nicht viel anders wie der Europa-/Westen-Fetisch der Japaner. Es mag sein, sowie Lea in ihrem Kommentar geschrieben hat, dass die Präsenz der Kultur in Deutschland nicht so stark zu empfinden ist, aber dafür hätte man den Begriff „Kultur“ zunächst definieren müssen. Was ist denn „Kultur“ überhaupt? Um her mal nicht zu wissenschaftlich zu klingen, meine Assoziationen zu der deutschen Kultur wären stichwortartig ausgedrückt: Goethe, Schiller, J.S.Bach, Schubert, Karneval, Burgen und Schlösser, Kirchen, Dialekten… etc.
Also ich denke, dass die kulturelle Präsenz zwar aufgrund der engen geografischen und geschichtlichen Verbundenheit Deutschlands mit den Nachbarländern vielleicht nicht als eine kulturelle oder nationale Besonderheit empfunden wird, aber sie ist auf jeden Fall vorhanden.
(so wie Lea in ihrem Text geschrieben hast, dass die jungen Japaner heutzutage von Tuten und Blasen keine Ahnung mehr haben und so in Deutschland ja eben auch der Fall ist. Aber auf der anderen Seite, gibt es durchaus doch noch junge Menschen in Japan, die Teezeremonie oder Kabuki oder sonst was traditionelles lernen und gerne mögen, und eben so gibt es in Deutschland auch noch junge Menschen, die Goethe oder Schiller lesen, deutschsprachige Dramen aufführen, Mittelaltermärkte organisieren, Bach oder Schubert spielen.)
Nur weil die deutsche Kultur oder besser gesagt die Kultur Europas, die sich nicht durch so ritualisierte Tamtams auszeichnet, die durch die geografische und geschichtliche Bedingtheit (dabei meine ich das „Flickenteppichland“ im Mittelalter und diese ganzen Kriegswirren ) nicht besonders hervortreten kann, und vielleicht der wichtigste Grund vor allem, nur weil viele die Nase voll von der Kirche bzw. der christlichen Religion haben, sollte man nicht leugnen, dass das eben auch eine Art von Kultur ist. Natürlich habe ich nicht vor hier mit einem Lobgesang für die „supertolle“ deutsche Kultur anzufangen, weil ich diese selber nicht so interessant finde, aber das liegt vielleicht daran, dass ich eben in Deutschland lebe.
Die Präsenz der Kultur, finde ich, nimmt man als Ausländer viel stärker wahr als „Inländer“, weil man ja automatisch seine Blicke auf das richtet, was man als „ungewöhnlich“ empfindet. Z.B. habe ich mich oft mit meinen Gasteltern über Deutschland unterhalten, die so wie viele anderen Japaner Europafans sind und schon 3, 4 mal in Deutschland rumgereist sind, ihre Eindrücke von Deutschland sind, mal wieder nur stichwortartig:
Schöne ruhige Städtchen, Schloss Neuschwanstein, die „romantische Straße“, der Kölner Dom, der Rhein, rauchende Kinder und Frauen mit großem Ausschnitt~xD, leckere Currywurst, italienisches Essen
Also kurz gesagt, das was die Japaner oder die Touristen in Deutschland als schön und gut empfinden, ist für uns zu normal und langweilig. Und man spürt schon, dass das ganze Wissen, was meine Gasteltern über Deutschland oder „deutsche Kultur“ besitzen eben sehr oberflächlich subjektiv und punktuell ist. Und eben so das gleiche kann ich mir auch bei uns vorstellen. Die ganzen Tanz/Sado/Chado/koto Whatever-Kurse sind für mich nichts anderes als Unterhaltungsprogramme für Ausländer, auch wenn da ständig von der „Übermittelung der japanischen Kultur “ die Rede ist.
Wir, die nur 4 oder 5 Monate in Japan sind(viel zu kurz um die echte Kultur zu spüren), sollen vielleicht besser aufpassen, dass wir eben mit der Wahrnehmung eines Ausländers nicht alles traditionelle, unbekannte durch eine Rosabrille sehen. Anderen Falls finde ich, ist man weniger empfänglicher für die reale japanische Welt.
Ein anderes persönliches Beispiel hier:
Wie alle wissen oder auch nicht, bin ich ja quasi mit 2 Kulturen aufgewachsen und studiere Sinologie im Nebenfach, eben aus dem Grund, weil ich fürs Fach Chinesisch eigentlich nix machen muss.
Ich habe leider genug Sinologen gesehen, die sich nach meinem Geschmack „chinesischer“ benehmen als die echten Chinesen. Einer kommt z.B. immer mit einer Teekanne und Teetasse zum Unterricht.
Allgemein finde ich das Fach Sinologie dämlich, weil man da durch diese ganzen akademischen Gelaber über die von „Ausländer“ ausgesuchten Themen einen völlig falschen Eindruck von China bekommen kann.
Und eben so ist wahrscheinlich auch Japanologie. Das, was wir da gelernt haben, Geschichte, Religion, Sprache etc. ergeben noch nicht die Kultur. Die sind für mich wie so einzelne Perlen ohne Schnur und wir zerlegen die auch noch weiterhin, in dem wir immer nur ein gewisses Thema rauspicken und drüber forschen. Und mein Gefühl sagt mir, wenn man die japanische Kultur verstehen will oder zumindest im Echt spüren möchte, wie ein Japaner sie spürt oder sieht, sollte man vielleicht nach dem Faden, dem Zusammenhängenden suchen, und nicht nur für das eine begeistern und sich über das andere beschweren, weil man in Deutschland das besser oder anders macht.
Zum Schluss noch ein schönes Zitat von Lea, was, wie ich finde, sehr lehrreich ist:
Wer auf Biegen und Brechen versucht, Japaner zu werden, macht sich doch in einer gewissen Weise lächerlich, weil er aller Welt demonstriert, dass er von vornherein nicht weiß, wer er ist