Samstag, 19. Juni 2010

Lea und Jiayis Philosophiestunde Teil2~

Nachdem ich gestern über Teezeremonie und die jap. Möchtgern-Mentalität bzw. das Möchtegern-sein von einigen von uns (vllt. nur subjektive Einbildung meinerseits)gelästert habe, hat Jemand sich nicht nur den "Läster-Roman" angetan und den sogar noch kommentiert, sondern auch seinerseits über das Thema einen Eintrag geschrieben. Für die, die es interessiert:bitte hier

Um das Thema wieder aufzugreifen, worüber ich mir gestern Gedanken gemacht habe, möchte ich zunächst meinen Lieblingsabschnitt aus Leas Eintrag zitieren:

Kürzlich hab ich mich über die ganzen Leute ausgelassen, die sich im Moment die Teezeremonie um die Ohren dreschen und glauben, es gäb im Leben nix schöneres (und sich vielleicht fühlen wollen wie ein Japaner – was völlig unmöglich ist). Simon meinte dazu: „Ich hoffe, am Ende des Semesters alle Schritte in der richtigen Reihenfolge behalten zu können. Das würde mir schon reichen.“

Lea hat genau das auf den Punkt gebracht, was ich mit meinem letzten Eintrag bewusst oder vielleicht eher unbewusst ausdrücken wollte. Diese Art von Begeisterung für die Teezeremonie oder andere japanische Traditionen ist doch nicht viel anders wie der Europa-/Westen-Fetisch der Japaner. Es mag sein, sowie Lea in ihrem Kommentar geschrieben hat, dass die Präsenz der Kultur in Deutschland nicht so stark zu empfinden ist, aber dafür hätte man den Begriff „Kultur“ zunächst definieren müssen. Was ist denn „Kultur“ überhaupt? Um her mal nicht zu wissenschaftlich zu klingen, meine Assoziationen zu der deutschen Kultur wären stichwortartig ausgedrückt: Goethe, Schiller, J.S.Bach, Schubert, Karneval, Burgen und Schlösser, Kirchen, Dialekten… etc.

Also ich denke, dass die kulturelle Präsenz zwar aufgrund der engen geografischen und geschichtlichen Verbundenheit Deutschlands mit den Nachbarländern vielleicht nicht als eine kulturelle oder nationale Besonderheit empfunden wird, aber sie ist auf jeden Fall vorhanden.

(so wie Lea in ihrem Text geschrieben hast, dass die jungen Japaner heutzutage von Tuten und Blasen keine Ahnung mehr haben und so in Deutschland ja eben auch der Fall ist. Aber auf der anderen Seite, gibt es durchaus doch noch junge Menschen in Japan, die Teezeremonie oder Kabuki oder sonst was traditionelles lernen und gerne mögen, und eben so gibt es in Deutschland auch noch junge Menschen, die Goethe oder Schiller lesen, deutschsprachige Dramen aufführen, Mittelaltermärkte organisieren, Bach oder Schubert spielen.)

Nur weil die deutsche Kultur oder besser gesagt die Kultur Europas, die sich nicht durch so ritualisierte Tamtams auszeichnet, die durch die geografische und geschichtliche Bedingtheit (dabei meine ich das „Flickenteppichland“ im Mittelalter und diese ganzen Kriegswirren ) nicht besonders hervortreten kann, und vielleicht der wichtigste Grund vor allem, nur weil viele die Nase voll von der Kirche bzw. der christlichen Religion haben, sollte man nicht leugnen, dass das eben auch eine Art von Kultur ist. Natürlich habe ich nicht vor hier mit einem Lobgesang für die „supertolle“ deutsche Kultur anzufangen, weil ich diese selber nicht so interessant finde, aber das liegt vielleicht daran, dass ich eben in Deutschland lebe.

Die Präsenz der Kultur, finde ich, nimmt man als Ausländer viel stärker wahr als „Inländer“, weil man ja automatisch seine Blicke auf das richtet, was man als „ungewöhnlich“ empfindet. Z.B. habe ich mich oft mit meinen Gasteltern über Deutschland unterhalten, die so wie viele anderen Japaner Europafans sind und schon 3, 4 mal in Deutschland rumgereist sind, ihre Eindrücke von Deutschland sind, mal wieder nur stichwortartig:

Schöne ruhige Städtchen, Schloss Neuschwanstein, die „romantische Straße“, der Kölner Dom, der Rhein, rauchende Kinder und Frauen mit großem Ausschnitt~xD, leckere Currywurst, italienisches Essen

Also kurz gesagt, das was die Japaner oder die Touristen in Deutschland als schön und gut empfinden, ist für uns zu normal und langweilig. Und man spürt schon, dass das ganze Wissen, was meine Gasteltern über Deutschland oder „deutsche Kultur“ besitzen eben sehr oberflächlich subjektiv und punktuell ist. Und eben so das gleiche kann ich mir auch bei uns vorstellen. Die ganzen Tanz/Sado/Chado/koto Whatever-Kurse sind für mich nichts anderes als Unterhaltungsprogramme für Ausländer, auch wenn da ständig von der „Übermittelung der japanischen Kultur “ die Rede ist.

Wir, die nur 4 oder 5 Monate in Japan sind(viel zu kurz um die echte Kultur zu spüren), sollen vielleicht besser aufpassen, dass wir eben mit der Wahrnehmung eines Ausländers nicht alles traditionelle, unbekannte durch eine Rosabrille sehen. Anderen Falls finde ich, ist man weniger empfänglicher für die reale japanische Welt.

Ein anderes persönliches Beispiel hier:

Wie alle wissen oder auch nicht, bin ich ja quasi mit 2 Kulturen aufgewachsen und studiere Sinologie im Nebenfach, eben aus dem Grund, weil ich fürs Fach Chinesisch eigentlich nix machen muss.

Ich habe leider genug Sinologen gesehen, die sich nach meinem Geschmack „chinesischer“ benehmen als die echten Chinesen. Einer kommt z.B. immer mit einer Teekanne und Teetasse zum Unterricht.

Allgemein finde ich das Fach Sinologie dämlich, weil man da durch diese ganzen akademischen Gelaber über die von „Ausländer“ ausgesuchten Themen einen völlig falschen Eindruck von China bekommen kann.

Und eben so ist wahrscheinlich auch Japanologie. Das, was wir da gelernt haben, Geschichte, Religion, Sprache etc. ergeben noch nicht die Kultur. Die sind für mich wie so einzelne Perlen ohne Schnur und wir zerlegen die auch noch weiterhin, in dem wir immer nur ein gewisses Thema rauspicken und drüber forschen. Und mein Gefühl sagt mir, wenn man die japanische Kultur verstehen will oder zumindest im Echt spüren möchte, wie ein Japaner sie spürt oder sieht, sollte man vielleicht nach dem Faden, dem Zusammenhängenden suchen, und nicht nur für das eine begeistern und sich über das andere beschweren, weil man in Deutschland das besser oder anders macht.

Zum Schluss noch ein schönes Zitat von Lea, was, wie ich finde, sehr lehrreich ist:

Wer auf Biegen und Brechen versucht, Japaner zu werden, macht sich doch in einer gewissen Weise lächerlich, weil er aller Welt demonstriert, dass er von vornherein nicht weiß, wer er ist

Freitag, 18. Juni 2010

Eine Seite aus meinem (nicht existenten) Tagebuch

Heute ist etwas passiert, was mich zum Nachdenken gebracht hat.

Kaja und Teresa haben heute ihren Vortrag über Tee und Teezeremonie gehalten. Der Vortrag an sich war total gut und informativ, wobei ich aber dummerweise fast eine Art Disput ausgelöst habe.

Es ging um die Komplexität der Teezeremonie und allen drum ran. Schon seit langem bin ich der Meinung, dass die japanische Teezeremonie mit jetzt mal aus meiner Sicht gesehen, ihrer verfestigten Form, dem steifen Ablauf, der vorgegebenen Ästhetik keinen Sinn hat. Wobei hier „sinnlos“ vielleicht das falsche Wort ist, (natürlich sind die lange Geschichte der Teezeremonie und die zen-buddhistischen Gedanken dabei sehr lehrreich)ich meinte damit, dass der ganze ritualisierte Prozess einem etwas falsch oder mal ein böses Wort „möchte gern“ mäßig vorkommt. Zum Beispiel: man muss die antiken Tee-Utensilien benutzen, die haben so und so auszusehen, das Wasser muss so und so sein, Gäste werden so und so bewirtet.

Meine Kritik daran oder wie man’s nennen möchte, ist, dass die Teezeremonie zur Zeit von Sennorikyuu vielleicht noch Sinn ergeben hat, („sinn ergeben“ ist vielleicht hier auch wieder zu viel gesagt, immerhin geht es nur um das Teetrinken, aus so einer simplen Handlung muss man nicht extra noch was ausdenken und das ganze verkomplizieren) aber dem heutigen Zeitgeist nicht mehr angepasst ist und viele Menschen die Teezeremonie oder sonstige anderen traditionellen Künste zu hoch schätzen oder als sehr sehr wertvoll oder geheimnisvoll erachten(ich meine hier keines Wegs, dass man auf Traditionen pfeifen soll, die Informationen über die Werte oder Denkweise oder Schönheitsempfindung der Menschen von damals, die damit überliefert werden, sind sehr wertvoll, damit die Entwicklung der Menschheit nicht zu willkürlich aus der Bahn gerät.), man sollte aber nicht vergessen, diese ganzen traditionellen Künste waren früher aber auch nur zum Zweck der Unterhaltung oder des Zeitvertreibs da. Ich denke, viel anders als das Fußballspiel war das nun auch wieder nicht. Nun kann man natürlich Fußball auch als ästhetisch empfinden(das meine ich nicht ironisch, wirklich. Wenn man dran denkt, dass es dabei nicht nur ums Ballkicken und Torschießen geht, sondern viel mehr um Spieltechnik und Gewinnstrategie.), so wie jede andere Kunst oder Sportart.

Aber mal böse gesagt, blindlings einfach nur weil’s cool, exotisch oder weil alle anderen das ganze als ästhetisch oder tiefsinnig betiteln, das dann auch toll zu finden, ohne den wirklichen Sinn zu verstehen, finde ich unüberlegt und banaler ausgedrückt dumm („dumm“ ist ein zu starkes Wort dafür, wenn jemand sich angegriffen fühlt, entschuldige ich mich hier für, ich meinte eher „unreif“) Eine Anekdote in Tsuretsuregusa, die ich heute gelesen habe:

Irgendein ehrwürdiger Prediger hat bei seiner Arbeit auf einem Tempelgelände die Steinlöwen ( koma inu) in einer unüblichen Stellung vorgefunden . Anstatt gegenüberstehend oder geradeaus schauend stehen die Steinlöwen da mit dem Rücken zueinander. Dann ist der Prediger zu Tränen gerührt und glaubt, dass da eine tiefere Bedeutung dahinter stecken muss, dass die Stellung der Löwen so anders ist. Er weist die, die zu seiner Predigt gekommen sind, daraufhin, dass das mit der unüblichen Stellung der Löwen sicher irgendwas an sich hat. Und die anderen sind dann auch überzeugt davon und sehr gerührt. In seinem Eifer sucht der Prediger sich einen alten und weise aussehenden Mönch dieses Tempels aus und fragt ihn nach dem tieferen Sinn dahinter. Der weise Mönch meint, dass das total unmöglich sei, dass man die Steinlöwen verstellt hat, das sei bestimmt ein Streich von den Lausbuben und geht selber hin und verschiebt die Steinlöwen wieder auf die richtige Position. (jetzt fällt’s mir auf… die Teile sind doch schwer oder nicht…)

Aber auf der anderen Seite bin ich vielleicht diejenige, die dumm ist. Ich kann die Ästhetik hinter der Teezeremonie nicht als solche empfinden. Es stellt keine Ästhetik für meinen Geschmack dar, wenn ich daran denke, dass man uns darauf hinweisen musste, worauf man zu achten hat. Man sollte auf das Blumenarrangement oder die Schriftrolle schauen, den Garten betreten und wenn die Steine nicht angefeuchtet sind, das für furchtbar halten. Bei der Teezeremonie zunächst die Süßigkeit essen und dann den Tee trinken. Und wenn man fertig ist die Schale in die Hand nehmen und einmal drehen, da an dem Rand wo man mit dem Mund hingekommen ist abwischen und dann die Schale in die Hand nehmen und angucken und schön finden(was mir immer misslingt, weil für mich eine Schale einfach nur eine Schale ist, von mir aus kann die auch aus Plastik in Wert von 100 yen sein und das ist immer noch eine Schale.) So wie ich es verstanden habe, hatte der „erste“ Teemeister Sennorikyuu mit seiner Zeremonie zu seiner Zeit also paar hundert Jahre früher die Menschen von damals mit Tee bewirtet und gleichzeitig ihnen eine Art Lektion erteilen wollen, und zwar: die Schönheit liegt in der Einfachheit oder Schlichtheit(in diesem Punkt finde ich ihn widersprüchlich in sich selber oder dem Image, wie er sich vllt. Gerne gesehen hätte. Das was er geschaffen hat war eben nicht wirklich einfach und schlicht, das hat nur den Anschein, schlicht zu sein, also im Prinzip wieder „möchtgern“. Ich meinte dabei die Tatsache, dass er sich extra die Teeschalen für seine Zeremonie von jemandem hatte anfertigen lassen und zwar sollen diese nämlich genau nach seinem Geschmack schlicht wirken.). Man sollte dabei beachten, dass das ganze zeitlich schon ziemlich weit weg zurücklag und das, was für Rikyuu und die Menschen damals einfach und schlicht, also was im Grunde genommen alltäglich und gang und gäbe war, heute nicht so ist. Die Zeit ändert sich, heutzutage ist es eben nicht „schlicht und einfach“ sich ein bestimmtes Wasser aus Brunnen zu holen oder im Kimono zu erscheinen… …

Ok eben ist mir die Erleuchtung doch noch gekommen, da mir das Stichwort „Verwestlichung“ eingefallen ist. Bis lang habe ich einen wichtigen Aspekt raus gelassen, und zwar die japanische Mentalität. Wenn man an die japanische Mentalität denkt, die so wunderbar in ihrer Art sich zu stylen(Stichwörter: jap. Frauen, Make-up, modebewusste Männer), in der Sprache(Stichwort: Höflichkeitsfloskel) oder allgemein in ihrer Gesellschaft(Stichwort: Schul/Berufslaufbahn) spürbar ist. Im Grunde genommen ist das jap. Volk ein „Möchtgern“-Volk, dabei streich ich erstmal die negative Konnotation aus dem Wort „Möchtegern“ raus, ich meine es hier weder positiv noch negativ(wobei ich Möchtgern-Menschen, das Musterbeispiel dafür Gackt , persönlich eher weniger mag… und in dem Punkt möchte ich mich nicht mit Valerie streiten, ich find ihn lächerlich und mal böse gesagt dämlich Punkt…nach dem ich diese 3.Reich + ScienceFiction + Emo-Geschichte – Hörspiel-Story erzählt bekommen bzw. das Booklet selber durchgelesen habe, fühl ich mich in meiner Meinung um so mehr bestätigt. Wenn Gackt die ganze 3.Reich-Scheiße, was er da produziert hat, tatsächlich ernst meint und nicht aus reinem kommerziellen Zweck für die unwissenden Fans geschrieben hat, dann tut es mir Leid sagen zu müssen: Wie blöd kann man bitte sein? ). Zurück zum Thema jap. Möchtgern-Mentalität. Die Japaner scheinen Zeremonien und verkomplizierte Rituale und Schnickschnack eben aus diesem Grund zu mögen. Die wollen was anderes sein, was besonderes, besseres. Ich deute hier mal auf die meisten Japaner, Japanerinnen, die sich die Haare braun oder blond färben, oder die, die sich ordentlich oder unordentlich viel Schminke auftragen. Ferner scheint das tatsächlich Tradition zu sein, dass sie Vorschriften und Verkomplizierungen des Lebens als Ästhetik zu empfinden oder zu betrachten(und wenn einer das macht, machen alle da mit). Bereits in der Heian-Zeit also gut 1000 Jahre zurück hatten die feinen Damen und Herren am Kaiserhof in ihren mehr lagigen Kimonos(bei den Frauen 12), die nach einer bestimmten Farbkombination und Reihenfolge(anderen Falls sei es nicht „ästhetisch“) angezogen werden, sich aus „Langeweile“ Verhaltensregeln oder Lebensart ausgedacht. Wie war das mit dem „unbeliebten Lover“ in Makura no sôji, wenn der Mann in der Morgendämmerung die Frau verlässt, und dabei nach seinen Sachen auf dem Boden sucht und sich noch unordentlich angezogen und eilig von der Frau verabschiedet, mit tausend Entschuldigungen und Wiedersehensversprechen, wird er als ungeschickt und hässlich eingestuft, ein richtiger Lover macht folgendes: er steht auf und lässt seine Sachen erstmal liegen oder macht sich elegant zu recht, wartet bis zum Sonnenaufgang und nach dem er seine Bedauern für die zu kurze Nacht ausgedrückt hat und einige male nach der Frau zurück geschaut hat, darf er endlich gehen. Zuhause angekommen setzt er sich sofort hin, egal wie müde er ist, und schreibt ihr ein schönes Gedichtchen in schöner Schrift. Und das sollte für die heian-zeitlichen Adeligen die Liebe sein. ..